Dienstag, 26. Juni 2012

Michael Krüger - der Verleger


Sehr verehrter Michael Krüger, zunächst einmal vielen herzlichen Dank, dass Sie es trotz eines engen Terminplans einrichten konnten meine Fragen zu beantworten. Sie sind Schriftsteller und Verleger im Hanser Literaturverlag. Aber auch einer der bekanntesten deutschen Intellektuellen. 

Kämpft der wirtschaftlich orientierte Verleger in Ihnen hin und wieder mit dem Textliebhaber und Autor darum, welches Buch eine Veröffentlichung wert wäre?

Dies ist ein täglicher Kampf. Denn natürlich liegt uns die Qualität am Herzen, aber erstens schreibt nicht jeder Autor immer nur großartige Bücher, sonst gäbe es nur großartige Bücher, und zweitens müssen wir natürlich auch auf die Wirtschaftlichkeit des ganzen Verlages achten.

Herr Krüger immer wieder melden Sie sich (soweit ich weiß in dieser Form als einziger Verleger) per Youtube Video zu aktuellen Themen zu Wort. Offenbar für Sie also keine Berührungsängste mit dem Medium Internet?

Nein, ich habe überhaupt keine Berührungsängste mit dem Internet. Ich habe nur zu wenig Zeit, um mich damit wirklich zu beschäftigen. Wenn es dem Verlag und seinen Büchern nützt, würde ich mich stärker im Internet bewegen. Aber ich habe den Verdacht, daß die Papiermenschen und Bücherkäufer nicht unbedingt auch die Internet-Menschen sein müssen.



 Michael Krüger, Autor, Verleger, Intellektueller (Quelle: Focus)

Dieses Interview wird innerhalb von kürzester Zeit tausende Male gelesen, verteilt und zitiert werden. Irgendwo auf dem Weg durch die virtuellen Weiten wird es auf wenige Worte reduziert als bloßer Soundbite auf Blogs in Facebook-Kommentaren und dem ein oder anderen Newsdienst oder RSS Feed enden. Das Internet also als der „große Vereinfacher“ der „Dampfpflug des Medienzeitalters“, dessen Dynamik kaum eine öffentlich getane Äußerung entgehen kann ohne reduziert zu werden.
Sie sind ein ausgewiesener Liebhaber der Bücher und des geschriebenen Wortes, was geht einem solchen Mann angesichts dieser Realität  durch den Sinn? Herrscht da eine gewisse Trauer, gar Wut?

Trauer, dieser Begriff bringt es auf den Punkt. Ich habe in der letzten Woche vor den Buchhändlertagen einen Vortrag des Abschieds gehalten, in dem ich versucht habe, die ungeheuren Veränderungen zu formulieren, die nicht nur unsere Branche, sondern die ganze Gesellschaft betreffen.
Ein Internet-Aktivist sagte danach, er sei sich wie in einer Kirche vorgekommen, und wie dieser Vortrag in der Presse weggekommen ist, entspricht genau der von Ihnen geschilderten Reaktion: Man hat einen oder zwei Sätze herausgepickt, um zu zeigen, wie schlau man ist.
Vom Ton und der Atmosphäre des Vortrags ist nur bei denen etwas  angekommen, die überhaupt noch in der Lage sind, einen längeren Vortrag anzuhören. Wo diese verschiedene Wahrnehmungsbereitschaft einmal enden wird, das wage ich mir gar nicht auszudenken.




 Michael Krügers viel beachtete Rede auf den Buchtagen 2012


Stichwort: Piratenpartei und Urheberrechtsdebatte. Die eine Seite huldigt vermeintlich der Geiz-ist-geil-Mentalität, die andere sieht sich – bewusst überspitzt – als letztes Bollwerk gegen den Untergang des kulturellen Abendlandes. 
Auf beiden Seiten des Debattenzauns, so habe ich den Eindruck, werden derzeit keine Gefangenen mehr gemacht. Irgendeine Idee wie man die Affäre entschleunigen, bzw. auf ein erwachsenen Menschen angemessenes Diskussionsniveau herab kochen könnte?

Ich glaube, man wird sich irgendwo einigen. Auch die Piraten veröffentlichen jetzt ihre Bücher und werden schon darauf achten, daß sie ordentlich bezahlt werden. Das ist wie immer bei Revolutionen: Wer das Glück hat, zu überleben, wird Bürger. Und Bürger einer Gesellschaft geben sich Gesetze, sonst würde die Gesellschaft zerfallen.

Herr Krüger – besitzen Sie einen eReader? Oder bevorzugen Sie weiterhin das gedruckte Buch?

Nein, ich besitze keinen eReader. Und was übers Internet kommt, drucke ich mir aus.

Es hat sich seit letztem Jahr ja so einiges in der Buchwelt getan; Stichwort: E-Books. Wie sehen Sie aus Ihrer professionellen Sicht als Verleger diese Entwicklung? Bringt sie Schaden, ist sie womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht irgendetwas dazwischen?

Wenn noch zehn Prozent mehr Leser ihre Bücher aus dem Internet holen, wird sich unsere Branche verändern, vom Buchhandel über die Verlage bis zu den Autoren. Ob das ein Segen wird oder ein Fluch, das wird die Zukunft zeigen

Allgemein malt man die Zukunft des stationären Buchhandels ja in einem eher düsteren Licht. Schließen Sie sich diesen Unkenrufen ebenfalls an?

Der stationäre Buchhandel muß sich in der Tat viel einfallen lassen, um mit berechtigtem Stolz das zu vermitteln, was er kann. Das wird schwer werden.

Unter vielen Autoren, ob arriviert oder noch Anfänger, herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da etwas dran? Würden Sie selbst einen erfolgreichen Indie-Autor in Ihre Autorenliste aufnehmen?

Natürlich wird es in Zukunft viele Autoren geben, die ihre Bücher direkt ins Internet stellen. Ob sie damit Erfolg haben, wird sich zeigen.

In der Buchbranche debattiert man seit einiger Zeit darüber, ob es dem Markt langfristig schadet, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?

Wenn alles nur unter drei Euro kostet, dann werden weder die Autoren noch die Verlage überleben. Also sollte man mit allen Mitteln versuchen, solche Entwicklungen zu stoppen.

Wo sehen Sie den deutschen Buchmarkt in fünf Jahren? Werden so genannte Indie-Autoren darin wirklich eine beständige Rolle spielen, oder hat das Phänomen Selbstpublizierer, wie so viele andere netzbasierte Trends, bis dahin seine Halbwertzeit längst aufgebraucht?

In fünf Jahren? In Goethes einzigem Roman läßt er Eduard sagen, daß man früher etwas für sein ganzes Leben gelernt hat, man heute aber sich alle fünf Jahre ändern muß, um mit der Mode zu gehen. Das war um 1800. Heute sollte man sich alle fünf Tage ein neues Kleid anziehen. Ich werde diese Beschleunigung nicht mitmachen.

Nun, die sicherlich furchtbarste Frage von allen: Herr Krüger, wie muss ein Exposé bzw. Manuskript beschaffen sein, um Ihre Neugier zu erwecken?

Es muß klug sein, gut formuliert, und vor allen Dingen: Es muß meine Neugier wecken.

Welche Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?

Wie geht es Ihnen in einer sich rasend schnell verändernden Welt?

Donnerstag, 21. Juni 2012

Georg Simader - Agent im Dienste ihrer Majestät



Sehr verehrter Herr Simader, vielen Dank dass Sie sich die Zeit nehmen, meine Fragen zu beantworten. Sie sind Gründer der Literaturagentur Copywrite und waren zuvor lange Jahre in der Verlagsbranche tätig, unter anderem als Lektor beim Eichborn Verlag.


Literaturagenten haben ja, ganz besonders unter den Nachwuchsautoren, einen geradezu mythischen Ruf. Fast könnte man sie als Einhörner bezeichnen. Also Wesen, die man nur sehr selten beobachten kann und mit denen man als Nachwuchsautor noch seltener ins Gespräch kommt.
Woran liegt’s?
Sind Sie tatsächlich so furchtbar scheu, ist es wirklich derart schwierig mit Ihnen in Kontakt zu kommen, wie das so mancher Blogpost und Kommentar in den einschlägigen Autorenforen  suggeriert?


Was glauben Sie, wie schnell wir sind, wenn wir ein gutes Manuskript in die Hände bekommen?

Nein, mal im Ernst: Wir prüfen etwa 1000 Manuskripte im Jahr, mehr als 95% sind leider so, dass sie für die großen und mittleren Verlage, mit denen wir in der Regel arbeiten, nicht in Frage kommen.

Da wir nun mal nicht jede Ablehnung kommentieren können, denn begründete Absagen sind sehr arbeitsaufwendig, mag es manchem so erscheinen, dass wir Agenten schwer greifbar sind. Was uns bisweilen traurig stimmt, sind jene Manuskripte, die wir zwar gut finden, bei denen wir aber ahnen, dass sie aus irgendwelchen Gründen schwer vermittelbar sind.

Oft sagen oder schreiben wir der Autorin / dem Autor auch: Bitte probieren Sie es selbst, bei den kleineren unabhängigen Verlagen, manchmal geben wir Tipps.

Insgesamt gilt aber, und das zeigt, dass wir nicht scheu sind: Von den etwa 40 bis 50 Autoren, die wir betreuen, vertreten wir einen Großteil seit ihrem ersten Manuskript: Die Bestsellerautoren Jan Costin Wagner, Mia Morgowski, Stephan Thome, Alina Bronsky, Rita Falk, um nur einige zu nennen, kamen mit ihrem ersten Manuskript zu uns.



                Georg Simader - Agent im Dienste ihrer Majestät des Buches

 

Es hat sich seit letztem Jahr ja so einiges in der Buchwelt getan; Stichwort: E-Books. Wie sehen Sie aus Ihrer professionellen Sicht als Agent diese Entwicklung?
Bringt sie Schaden, ist sie womöglich ein Segen, doch eher Fluch – oder womöglich schlicht irgendetwas dazwischen?

Egal ob Segen oder Fluch: Dass sich das E-Book etablieren wird, ist hochwahrscheinlich. Das ist wie mit CD und mp3, beide gibt es. 

E-Books werden sich, das ist zu erwarten, in einem bestimmten Segment sehr stark entwickeln. Ich nenne diese Buchsparte "Wegleseliteratur".

Für mich ist das der einfache Krimi, das unterhaltsame Frauenbuch, die humorvolle Unterhaltung, der übersichtliche Reiseratgeber, also alles, womit man sich und seine Bibliothek nicht unbedingt füllen will.

Alle diese Bücher dürften mehr und mehr Konkurrenz durch das E-Book bekommen. Doch die handwerklich schön gemachten Bücher, mit Lesebändchem und hübschem Vorsatzpapier, mit liebevoll gestaltetem Schutzumschlag, mit Sätzen, die man immer und immer wieder lesen will, die werden bleiben. 

Für das einfache Taschenbuch wird's also schwerer. Das schon mal vorab.

An sich wäre das ja noch keine sonderlich tragische Entwicklung, doch zum Fluch könnte sich das E-Book entwickeln, wenn nur noch wenige Global player den Markt beherrschen. Schon heute hat Amazon mit seinem Kindle die Nase ganz weit vorne.

Sollten etwa die Kollegen aus Seattle (Amazon.com) in Deutschland Marktmonopolisten werden, und das ist ihr Bestreben, werden die großen Printverlage ins Schwitzen geraten, denn dann ist klar, wer die Vertragskonditionen bestimmen wird.

Schlimmer und gefährlicher aber noch: Wenn sich das E-Book bei den Mass-Market-Büchern durchsetzt, dann wird, worst case szenario, Amazon just zu diesen Autoren gehen und sagen: Was braucht ihr Autoren einen Buchhandels-Vertrieb? Was braucht ihr Werbung in den Buchhandlungen?

Hier gibt's das Internet, hier gibt's uns, hier habt ihr die Werbung. Wollt ihr 10 Prozent pro Buch verdienen und bei den konventionellen Verlagen bleiben? Oder wollt ihr 40 Prozent und mehr?
 
Sollte ein Domino-Effekt einsetzen und sich Autoren von Stephen King bis J. K. Rowling von den konventionellen Printverlagen verabschieden, dann haben just diese Verlage keine Möglichkeiten mehr, die "kleinen" Autoren zu finanzieren.

Amazon ist zwar ein kundenorientiertes, aber auch ein extrem profitorientiertes Unternehmen, mit für mich nicht sichtbarem Interesse an der Vermittlung oder Förderung irgendwie gearteter kultureller Werte.

Konventionelle Printverlage, sprich: alteingesessene Häuser, investieren in Talente, bieten oftmals akzeptable Vorschüsse, ermöglichen also zu schreiben, pflegen den literarischen Nachwuchs.

Nehmen wir beispielsweise zwei Häuser, stellvertretend für viele seien der Dtv und S. Fischer genannt. Beide Verlage produzieren Unterhaltung UND Hochliteratur.

Klar ist: Mit einem jungen literarischen Debütanten ist in der Regel viel weniger Geld verdient als mit einem bayerischen Regionalkrimi. Wandert der Provinzkrimiautor ab, kann der junge (hoffentlich sich irgendwann einmal durchsetzende) Literat nicht mehr finanziert werden.

Die Basis bricht weg. 

Äußerst fraglich ist, sollte es den konventionellen Verlagen an den Kragen gehen, ob sich je reine E-Book-Verlage entwickeln, die einer Mischkalkulation folgen wollen.

Self publishing, sagen jetzt bestimmt viele, könnte ja auch für die jungen Autoren die Alternative sein.

Ist sie aus vielerlei Gründen nicht immer!

Das fängt beim begleitenden Lektor an und hört bei der Umschlaggestaltung auf. Die Spreu vom Weizen zu unterscheiden, das dürfte schwerer werden, und wird erst dann wieder einfacher, wenn sich im Internet Firmen entwickeln, die für ein Höchstmaß an Qualität bürgen.

Ansätze gibt es hier zweifelsohne, ich verfolge zum Beispiel gerade mit Interesse die Aktivitäten von dotbooks. Doch wohin in diesem Segment der Hase läuft, ist noch nicht abzusehen.


Wolfgang Tischer vom literaturcafe.de sieht mittelfristig die Zukunft des stationären Buchhandels in einem düsteren Licht. Sie ebenfalls?

Gefährdet sehe ich Teile des stationären Buchhandels, nämlich die so genannten Filialisten wie Thalia, Hugendubel etc.

Wenn sich die Filialisten nicht anstrengen, nicht ihr Publikum beispielsweise durch Lesungen und gute Beratung an sich binden, sich auch um die kleinen Verlage, die Independents sorgen, dann dürfte es noch schneller bergab gehen.

Denn Bestseller ohne wirkliche Beratung verkaufen und austauschbar sein, das kann das Internet auch.

Die kleine, gut geführte Stadtteilbuchhandlung hingegen, die könnte sich halten. Denn lieben wir sie nicht alle, die persönliche Beratung und die Frage:

"Lieber Herr XY, Ihnen hat doch Roman A so gut gefallen, ich hätte da was Ähnliches für Sie."

Ganz furchtbar allerdings wird's, wenn die Buchpreisbindung fällt: Die weit verbreitete Geiz-ist-geil-Mentalität der Deutschen dürfte dann auch den Kleineren den Garaus machen, denn nichts ist unseren Landsleuten lieber als das Schnäppchen.


Unter vielen Autoren, ob arriviert oder noch Anfänger, herrscht die Ansicht, dass es gefährlich sein könnte, seine Werke selbst als E-Books zu publizieren, da dies womöglich von den Verlagen als anrüchig betrachtet würde und daher einen Verlagsvertrag von vornherein ausschließt. Ist da etwas dran? Würden Sie selbst einen erfolgreichen Indie-Autor in Ihre Klientenliste aufnehmen?

Klar würden wir einen erfolgreichen Indie-Autor aufnehmen.

Warum denn nicht? Erfolg kommt ja nicht von ungefähr.

Nur nebenbei: Es gibt ja Autoren, die von sehr schönen Erfolgen sprechen, die sie durch Self-publishing erreicht haben.

Zumindest bei amazon kann man Schwindlern schnell auf die Spur kommen: www.novelrank.com eingeben - und schon kann man die Verkaufszahlen sehen.

 
Wo genau würden Sie denn „Erfolg“ in der schönen neuen E-Book-Welt festmachen, will heißen, gilt man Ihrer Auffassung nach bei 10.000 verkauften E-Books als Indie-Autor schon als erfolgreich?
 
10.000 verkaufte E-Bücher? Da kommt's darauf an, was die kosten. Doch bei 99 Cent-Autoren? Nun ja, ich weiß nicht. Ich gestehe, dass ich mich damit noch nicht wirklich damit beschäftigt habe, denn was 99 Cent kostet, das klingt für mich nach billigem Ramsch.


In der Buchbranche debattiert man seit einiger Zeit darüber, ob es  generell schädlich für den Markt sei, wenn bei den großen Plattformen wie Amazon.de die Charts immer mehr von Titeln zu 99 Cent bzw. 2,99 Euro dominiert werden. Wie stehen Sie dazu? Ist es bald an der Zeit da irgendwie eine Reißleine zu ziehen?

Mir ist das egal. 

Wenn was 99 Cent oder 2,99 € kostet, dann schau ich nicht drauf.

Ich kaufe auch kein Schweinefleisch das Kilo für 3,99 € und keinen versauten Billigwein.

Wenn Autoren oder wer auch immer jemanden mit der "Geiz ist geil"-Mentalität erreichen wollen, dann sollen sie das versuchen.

99 Cent oder 2,99 € sind in meinen Augen sehr ungeil - Qualität soll und darf etwas kosten.


Nun, die sicherlich furchtbarste Frage von allen: Herr Simader, wie muss ein Exposé beschaffen sein, das Ihre Neugier erweckt und Sie möglicherweise gar dazu animiert zum Telefon zu greifen und sich mit dem Verfasser verbinden zu lassen?
 
Das ist in der Tat eine sehr furchtbare Frage, denn sie ist unbeantwortbar.

Fest steht: Das Exposé alleine ist's nicht. Wenn jemand eine tolle Idee hat und nicht schreiben kann, dann denke ich mir: Tolle Idee, aber er kann nicht schreiben.

Wenn - jetzt kommt das Gegenteil - ein Exposé ein bisschen hausbacken wirkt, ich aber schon bei den ersten Sätzen vom Stil der Autorin, des Autors mitgerissen bin, dann denke ich mir: Langweiliges Exposé, aber gut geschriebener Text.

Ich kann aber immerhin sagen, wann ich sofort gähne.

Wenn mir jemand schreibt, dass er im Stil von (jetzt kommen beliebig einsetzbare Namen von Bestsellerautoren) schreibt, dann denke ich mir: Und, hat er keinen eigenen Stil, keine eigene Idee?

Und vielleicht noch etwas: Unaufgeregte Exposés sind mir lieber als aufgeregte. Es geht einfach darum, dass ich als Agent in kürzester Zeit den Kern des Textes erfassen kann.

Alle werbenden, lobenden und sich selbst anpreisenden Hinweise sind fehl am Platz.

Wobei ein bisschen Humor, ein wenig Augenzwinkern natürlich nicht schaden kann.



Lesungen werden für den Erfolg von Autoren immer wichtiger, habe ich den Eindruck.  Muss ein Autor daher immer auch ein guter Entertainer sein, um Erfolg beim Publikum zu erlangen? Geht’s nicht, ohne zumindest eine Spur vom „Rampensau -Faktor“ in sich zu haben?

Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, wie sich ein Autor bei Lesungen oder auch bei Facebook etc. präsentiert.

Es ist ziemlich simpel: In den allermeisten Fällen gibt es eine Verbindung von Autor und Werk.

Autoren, die in der Welt "draußen" nicht oder nur kaum existieren, werden weniger wahrgenommen.

Nehmen Sie eine Lesung, über die ein Provinzredakteur in der Lokalzeitung berichten muss.

Geht er nur auf das Gelesene ein, kann es schnell langweilig werden.

Kann er darüber hinaus seinen Beitrag mit etwas Außergewöhnlichem aufpeppen, sei es einer Geschichte aus dem Privatleben des Autors, sei es irgendeiner netten Anekdote, die der Autor während der Lesung bringt, dann wird's leichter.

Graduelle Unterschiede gibt's da sicherlich: Im Feuilleton von FAZ, SZ oder Zeit sind derlei Dinge nicht ganz so wichtig, da geht's mehr um den Text - aber bei der Unterhaltungsliteratur, da kann die Story jenseits der Rezension wahre Wunder bewirken.

"So ein sympathischer Autor", diesen Satz habe ich schon oft gehört.


Wo sehen Sie den deutschen Buchmarkt in fünf Jahren? Werden Indie-Autoren darin wirklich eine beständige Rolle spielen, oder hat das Phänomen Indie, wie so viele andere netzbasierte Trends, bis dahin seine Halbwertzeit längst aufgebraucht?

Es wird sich, siehe oben, die Spreu vom Weizen trennen.

Ich hoffe, dass die 99-Cent-Autoren Randerscheinung bleiben und der Wert des Buches deutlich  in den Vordergrund rückt. 

Zu uns: Wir überlegen, derzeit noch sehr vage, jene Autoren, die aus irgendwelchen Gründen, für die großen Verlage nicht marktkompatibel sind, zu labeln. 

Will heißen, dass wir über eine E-Book-Edition nachdenken, in der wir jene Werke von Autoren publizieren, deren Manuskripte wir für sehr gut befinden, die aber aus irgendwelchen Gründen nicht in eine der wohlgeordneten Regale des Buchhändlers passen.

Das können genreübergreifende Werke sein. Oder Werke, die unterhalb oder oberhalb von marktüblichen Seitenzahlen liegen.

Vielleicht auch Werke von Autoren, die nach wie vor sehr gut schreiben, die aber deswegen von Verlagen abgelehnt werden, weil die gängigen Warenwirtschaftssysteme sagen: "Sorry, dieser Autor verkauft sich nicht mehr".

Im Internet nämlich gibt es keine Warenwirtschaftssysteme, so wie sie die großen Buchhändler haben.

Sollte es je zu einem eigenen Label kommen, dann wird es aber bestimmt keine Dumpingpreise geben.


Haben Sie einen heißen Marketingtipp für Indie-Autoren?

Nein, heiße Tipps habe ich keine.

Eine Sache jedoch gilt immer: Gleich ob Print- oder E-Buch, es muss sauber und hochprofessionell gearbeitet werden.

Schlampig gearbeitete Ware verkauft sich auf Dauer nicht.

Das Cover muss stimmen, Einleitungstexte müssen passen, Rechtschreibfehler soll es schon gleich gar nicht geben.

E-Book-Autoren sollten bedenken: Grafiker kosten, Lektoren kosten, Werbetexte kosten, auch Anzeigen etwa bei facebook sind nicht umsonst.

Nimmt man dann noch die Zeit dazu, die für social-media-Präsenz benötigt wird, dann wird man sehr schnell feststellen, dass von den hohen Margen weit weniger übrig bleibt, als man gemeinhin denkt.

Zu alledem kommt: Wer seinen eigenen Roman präsentieren will, der wird schnell betriebsblind.

Ich bin beispielsweise heilfroh, dass in Printverlagen Autoren ihre Werbetexte (Buchhandelsvorschauen) nicht selbst schreiben müssen, denn ein Autor ist viel zu nah am eigenen Stoff dran, kann ihn schwerlich "runterschreiben" - hin auf die Allgemeinverständlichkeit.


Welche Frage wollten Sie schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?

"Lieber Herr Simader, lesen Sie E-Books?"

Ja, ich lese E-Books, aber nicht auf dem Kindle.

Ich kaufe meine Bücher bei www.libri.de und gebe an, dass ich diese über eine Frankfurter Stadtteilbuchhandlung beziehen will.

Die sollen nämlich die Prozente abbekommen - und nicht irgendein Unternehmen ganz weit weg, zu dem ich keinen Bezug habe.

Mittwoch, 13. Juni 2012

Literatur ist kein Kaffeekränzchen - Wolfgang Tischer


Hallo Wolfgang Tischer, danke dass Du Dir die Zeit nimmst, hier ein paar Fragen zu beantworten.   

Wir kennen uns ja schon eine Weile und ab und zu bist Du so freundlich Herrn Grays Beiträge auf Deiner Webseite, dem literaturcafe.de, zu posten. 

Das Literatur-Café ist ja auch gar nicht irgendeine Webseite, sondern ein fester Posten in der deutschen Literaturlandschaft, vor allem aber ist sie mehrfach preisgekrönt worden. Was mich gleich zu meiner ersten Frage bringt.




 Wolfgang Tischer, Betreiber des Literaturcafès im Internet. Einer, der stets kluges zum Buchgeschäft zu sagen hat.


Wie wird man eigentlich Grimme - Preisträger?

 Ich schließe mal aus deiner Frage, dass du der Meinung bist, das literaturcafe.de hätte schon mal den Grimme-Preis gewonnen. Dem ist leider nicht so, daher kann ich deine Frage aus eigener Erfahrung nicht beantworten.

Du meinst vermutlich den Alternativen Medienpreis, den das literaturcafe.de 2004 gewonnen hat. Der Alternative Medienpreis wird von der Journalistenakademie München vergeben und ist die unabhängige Alternative zum Grimme-Preis. 

Ausgezeichnet werden hier unabhängige und in der Regel nicht-kommerzielle Web-Projekte. Für diesen Preis kann man sich nicht bewerben, sondern man wird nominiert, was den Preis natürlich noch wertvoller macht. 

In aller Bescheidenheit kann ich also nur sagen, dass man für den Gewinn eine qualitativ hochwertige Website betreiben muss, die der Zielgruppe einiges bringt. Marketingmenschen würden in ihrem Deutsch wohl von „hohem Mehrwert“ sprechen.

Und auch wenn die Verlegerzeitschrift „Publishing Perspectives“ das literaturcafe.de Anfang 2011 zu „Germany's Best Booksites“ kürt, dann macht einen das natürlich stolz.


Mit der wachsenden Bedeutung Deiner Webseite geht ja auch eine immer höhere Sichtbarkeit Deiner Person für die Öffentlichkeit einher. Du schreibst Artikel für die „Zeit“ und Branchenmedien wie buchreport.de. 
 Fühlst Du Dich in Deiner Prominentenrolle wohl, oder stellt das nur eines der notwendigen Übel dar, das man mit dem Erfolg des Literatur-Cafés eben in Kauf zu nehmen hat?

Um es direkt zu sagen: Ich stehe gerne auf der Bühne und bin mit Sicherheit eine Rampensau. Ich habe früher Kabarett gemacht und weiß, dass man die Leute mit der richtigen Mischung aus Information und Unterhaltung begeistern sollte.

Aber deine Wahrnehmung resultiert aus einer tatsächlich erfolgten Veränderung. Natürlich war ich schon immer der Gründer und Herausgeber des literaturcafe.de. 

Ich habe meine eigene Person aber nicht ganz so in den Vordergrund gestellt, denn es kam mir in erster Linie auf die Themen an, die das Café präsentiert – und auch die Menschen, die dort Beiträge, Kurzgeschichten und Gedichte veröffentlicht haben. Da muss ich mich nicht immer selbst in Szene setzen.

Allerdings habe ich in den letzen Monaten lernen müssen, dass das dennoch notwendig ist und dass speziell das Internet diese Form des „Egoismus“ fördert. 

Aber ich hasse bis heute diese Selbstbeweihräucherung der Leute, dieses „Passt mal auf, ich erzähle euch was ganz Tolles und Wichtiges!“. 

Das Internet ist wie ein Unternehmen: oft werden nur die beachtet, die am lautesten schreien. Wenn man so will, geht auch im Selbstmarketing Form vor Inhalt. Und immer wieder muss man erleben, wie das auch noch funktioniert. 

Hinzu kommt, dass selbst Google diese „Egomaschine“ fördert, indem im Suchergebnis z.B. Blogbeiträge mit dem Google+-Profil der Autorin oder des Autors verknüpft sind und ein Bildchen daneben angezeigt wird. 

Die Welt und das Web sind immer mehr personenfixiert. Also habe auch ich erkannt, dass man die eigene Person mehr in den Vordergrund stellen muss. 

Ich habe damit wie gesagt kein Problem, auch wenn ich es besser finden würde, wenn die Personenfixierung etwas weniger wäre. 

Jedoch wäre es eine Selbstverleugnung, wenn ich behaupten würde, dass dieses System dem Ego nicht gut tut – solange das Feedback überwiegend positiv ist.


Du hast Dich ja selbst mit einem eigenen Fachbuchtitel als Indie-Autor versucht. Läuft der noch, oder ist er in der immer höher schwappenden Flut der Neuerscheinungen inzwischen „versunken“?

Ich bin erstaunt darüber, wie gut das E-Book noch „läuft“. 

Es ist ja ein Fachbuch darüber, wie man speziell bei Amazon seine E-Books verkauft. 

Also das was man als klassischen Nischentitel bezeichnen würde. Natürlich war er vor einem Jahr ganz oben in den Amazon-Charts bis auf Platz 3, was u.a. auch an einem Artikel auf SPIEGEL Online lag. 

Aber selbst heute ist das Werk beständig so um den Platz 500 herum auf den Kindle-Charts zu finden, was ich erstaunlich finde. 

Natürlich weise ich im literaturcafe.de auf das Buch hin, aber unsere Auswertungen zeigen, dass es nur so an die 7% der Käufer sind, die tatsächlich über den Affiliate-Link vom literaturcafe.de auf den Titel kommen. 

Man sollte also die eigenen Marketing-Instrumente nicht überbewerten.


Wie siehst Du das Phänomen der Indie-Autoren, bzw. des Selfpublishing? Bringt das langfristig eher Vorteile für den Buchmarkt? Es existieren ja Bedenken, dass der Erfolg von Ebooks über kurz oder lang zur Bedrohung nicht nur für die großen Ketten wie Thalia und Hugendubel, sondern auch für den Tante Emma Buchladen um die Ecke werden könnte.

Wenn du mit Buchmarkt tatsächlich Verlage und Buchhandlungen meinst, dann bringen E-Books denen sicherlich keine Vorteile. 

Verlage und Buchhandlungen hatten sich ihre Welt geschaffen. 

Die Verlage sorgen mit Marketing und PR für Sichtbarkeit und die Buchhandlungen halten die Bücher bereit, weil die Verlagsvertreter ihnen vorab berichtet haben, was man alles für das Buch tut bzw. wie gut der Autor sei. 

Für Selbstverleger gab es keinerlei Möglichkeit, in dieses System zu kommen. 

Bis heute haben es Print-on-Demand-Anbieter schwer, dass die Titel ihrer Autoren in den Buchhandlungen stehen, also sichtbar sind. 

Ein Eintrag im VLB (= Verzeichnis lieferbarer Bücher D.G.)  den viele dubiose Zuschussverlage als Sichtbarkeit verkaufen, bewirkt eigentlich nichts.

Man muss daran erinnern, dass sich vor gut 10 Jahren selbst Stephen King mit „The Plant“ als Selbstverleger versucht hat und damals grandios gescheitert ist, weil zu wenig Leute für einen Teil seiner Fortsetzungsgeschichte 1 Dollar zahlen wollten.

Es muss eben einiges zusammenkommen und das ist erst heute der Fall. Heute haben wir nicht mehr brikettgroße E-Reader und heute kann ich bequem Bücher für 99-Cent direkt auf dem Gerät kaufen. 

Und wir haben plötzlich die Sichtbarkeit für selbstverlegte Bücher, die in den Kindle-Charts auf Augenhöhe mit den Titeln der Verlage stehen. 

Die Preispolitik der Verlage ist dabei ein nicht unerheblicher Grund für den Erfolg der Indies.


Wo liegen Deiner Beobachtung zufolge, die typischen Fehler, die Indie Autoren bei ihren Veröffentlichungen begehen?

Sie schreiben im falschen Genre :-)

Nein, im Ernst: Man muss wirklich sehen, dass der Großteil der erfolgreichen Indie-Titel Genre-Literatur ist. Krimi, Thriller, Horror, Erotik, Singelfrauen, Romance – das sind die Themen die gehen. 

Literarische Titel außerhalb dieser Genres haben keine Chance. Das finde ich persönlich sehr bedauerlich. Wobei ich betonen muss, dass ich mit „literarisch“ kein Qualitätsmerkmal meine, sondern eben nur Titel abseits der Genre-Literatur. 

Ein Buch wie „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ halte ich im Indy-Bereich derzeit auf den Bestsellerlisten leider für undenkbar.

Der typischen Fehler, den ich oft mitbekomme ist der, dass viele Autorinnen und Autoren von den tollen neuen Möglichkeiten hören und nun ihre Manuskripte aus der Schublade holen und bei Amazon hochladen, ohne dass sie sich näher mit der Materie beschäftigt haben. 

Da sind dann die Formatierungen fehlerhaft, das Inhaltsverzeichnis ist nicht Kindle-kompatible, das Cover ist alles andere als optimal oder der Preis ist falsch angesetzt. Und es fehlt jegliche Marketing-Strategie. 

Viele legen mit dem Upload vielleicht noch einen Twitter-Account und eine Facebook-Seite an, weil sie gehört haben, dass das dazu gehört. Und sie bitten ihre Freundinnen und Freunde, doch mal bei Amazon eine 5-Sterne-Besprechung zu schreiben. 

Das alles ist nicht wirklich eine gute Strategie für eine E-Book-Veröffentlichung, aber viele Autorinnen und Autoren haben offenbar den Eindruck, ihnen geht etwas durch die Lappen, wenn sie ihre Texte nicht ganz furchtbar schnell als E-Book bei Amazon anbieten.


Hast Du einen heißen Marketingtipp für Indie-Autoren?

Ich habe keinen heißen, aber einen soliden Tipp und zwar all die oben erwähnten Fehler nicht zu machen. 

Man sollte nichts überstürzen und sich eine Strategie überlegen. 

Wie baue ich z.B. schon vor meiner Veröffentlichung ein Netzwerk auf? 

Ich sollte das Buch technisch einwandfrei formatieren und auch die Covergestaltung ist extrem wichtig! 

Und ich sollte mir ein Ziel setzen und genau überlegen, für wen ich schreibe und wie und wo ich diese Leserinnen und Leser erreiche.

Ich bekomme z.B. immer wieder Anfragen, ob ich nicht Lebenshilferatgeber oder Sachbücher zum Thema Pferdepflege besprechen möchte. Da würde ich sagen, hat sich der Autor keine Gedanken gemacht, wo seine Zielgruppe ist.

Und ich kann ebenfalls nicht oft genug sagen: Verlassen Sie sich nicht auf die Sozial-Media-Kanäle! 

Niemand weiß, wie die sich entwickeln werden. Facebook kann – wie es schon vorgekommen ist – die eigene Fanseite einfach ohne Vorwarnung abschalten. 

Man hat mit denen ja kein Vertrag, weil man dort nicht Kunde, sonder Produkt ist. 

Im Mittelpunkt aller Aktivitäten sollte also immer die eigene Website stehen. 

Natürlich sollte ich Facebook, Twitter, YouTube und Wasauchimmer nutzen, aber ich sollte mir immer bewusst machen, dass diese Daten und Werkzeuge nicht mir gehören. Eine eigene Website unter eigener Domain ist die Basis.


Wo siehst Du den deutschen Buchmarkt in fünf Jahren? Werden Indie-Autoren darin wirklich eine beständige Rolle spielen, oder hat das Phänomen Indie, wie so viele andere netzbasierte Trends, bis dahin seine Halbwertzeit längst aufgebraucht?

Natürlich wird der Hype abflauen, wenn viele Autoren merken, dass sie leider bei weitem nicht so viel verkaufen oder verdienen, wie es viele versprechen oder wie es die von der Presse herausgegriffenen Erfolgsfälle suggerieren. 

Letztendlich zählt nun mal die Qualität der Texte. Wenn der Inhalt nicht stimmt, dann bringt auch Werbung und Marketing nichts.

Dennoch glaube ich, dass Indie-Autoren sichtbar bleiben werden und die erfolgreichen unter ihnen weiter eine Rolle spielen werden. Zumindest in den Bestsellerlisten, die sie nicht ausblenden. 

Diese Autoren kennen ihre Leser, sie wissen, wie man für Publikum schreibt und sie haben den Weg ohne Verlag und ihre Freiheit schätzen gelernt. 

Natürlich wird der ein oder andere zu einem Verlag wechseln, andere werden den umgekehrten Weg gehen, aber die unabhängigen, eigenständigen und selbstbewussten Autorinnen und Autoren werden bleiben.


Amazon bietet mit seinem Create Space Programm ja mittlerweile auch für Indie-Autoren die Möglichkeit ihre Titel in Taschenbuchform an den Leser zu bringen. Deiner Auffassung nach - eine Bedrohung mehr für den stationären Buchhandel?

Zu Create Space kann ich noch nicht zu viel sagen, das kommt ja erst so langsam und noch gibt es keine eingedeutschte Version. Ich wage in der Richtung keine Prognosen, weil auch schon so vieles nicht funktioniert hat. 

Lulu.com ist so ein Beispiel, das auch supertoll klang, aber nie so recht die breite Masse der Selbstverleger erreicht hat. 

Dennoch werde auch ich Create Space testen, ohne Frage.

Wenn wir von Kindle und Create Space oder auch iBookstore und Co sprechen, dann reden wir ohnehin von Büchern, die am stationären Buchhandel vorbeigehen. 

Dass der Handel vor Ort zu den Verlierern gehört, ist eine Tatsache. Das ist bedauerlich, aber so ist der Lauf der Dinge und all die Versuche, die Buchhandlungen irgendwie am E-Book-Verkauf zu beteiligen, sind sinnlose Schwimmversuche in einem tosenden Meer. 

Auf der andern Seite kann ich mir aber auch vorstellen, dass „Papierbuchhandlungen“ eine gewisse Exklusivität bekommen könnten, wenn man kompetent ist und seine Kunden findet.



Doc House Tipp: Brain? Use it. Das gilt, Wolfgang Tischer zufolge, vor allem auch in der Indie-Autorenszene



Welche Frage wolltest Du schon immer einmal von einem Journalisten gestellt bekommen; und weshalb gerade diese?

Lieber David, ich habe mich sehr über deine Fragen gefreut und bin schon froh, dass du nicht gefragt hast, ob man denn von so was wie dem literaturcafe.de leben kann.


Lieber Wolfgang, ich danke Dir für das Gespräch. 

Sonntag, 10. Juni 2012

„Der Preis“ - von Folter



Während der Recherche zu meinem neuesten Thriller „Der Preis“ erhielt ich eine Mail, in der ich aufgefordert wurde, die Veröffentlichung des Buches noch mal zu überdenken. Anlass war ein Fachgutachten, dass ich über bestimmte Geschehnisse in „Der Preis“ habe anfertigen lassen.
Hier ein Zitat aus der besagten Nachricht:  

Ich bin sicher,  dass die fragliche Sequenz, die Du in „Der Preis“ beschreibst, auch in der Realität funktionieren würde.

Das bereitet mir ehrlich gesagt Sorgen.

Es ist bestimmt angebracht, dass man sich als Autor vergewissert, ob die Bombe, die man irgendeinen Übeltäter zusammen basteln lässt, auch wirklich hoch gehen würde. Aber dann ist man doch auch verpflichtet die Anleitung zum Bombenbasteln eben nicht so in den Buchtext einzubauen, dass jeder Terrorist, dem dieses Buch zufällig in die Hände fällt, diese Bombe auch nachbauen könnte.

Die Psychotortur, die Du in „Der Preis“ beschreibst, könnte auch in der Realität zu dem Ergebnis führen, das Du ihr in Deinem Buch zuordnest. Weil es aber schon ausreichend Fanatiker auf der Welt gibt, die Bomben bauen, solltest Du nicht noch dazu beitragen, dass auch noch die Anzahl derjenigen steigt, die bald noch genauer wissen, wie man seinen  Mitmenschen erfolgreich psychologisch foltert.   

Was danach folgte war eine Reihe von Vorschlägen, was ich in der fraglichen Sequenz besser abzuändern hätte.

Ich habe nur eine - kleinere - der vorgeschlagenen Änderungen auch umgesetzt.

Ach - der Gutachter, aus dessen Gutachten ich hier zitiere, ist Psychologe und Mitautor eines Handbuches für moderne Verhörtechniken, Zielgruppe: Polizei und Militär.

„Der Preis“ ist ein Thriller. Das heißt ein Roman, der vor allem Spannung erzeugen will und diese in einer möglichst überraschenden Pointe zum Ende auflöst.

Meist geschieht das dadurch, dass der Autor dem verblüfften Leser die Identität derjenigen Romanfigur präsentiert, die eine Reihe von Verbrechen begangen hat. Meistens handelt es sich dabei um Mord. 

Es gibt keinen Mord in „Der Preis“ und das einzige Blut, das darin fließt ist Menstruationsblut.

Ich weiß einen guten Mord in einem Thriller durchaus zu schätzen. Das hab ich in „Glashaus“, „Wolfswechsel“ und „Little Red Riding Hood“ bewiesen.  Aber selbst für Krimiautoren wird Mord irgendwann mal langweilig.

Es gibt andere – genauso erschreckende  - Aufhänger, mit denen sich Spannung in einem Thriller erzeugen lässt. Man mag es meiner überaus glücklichen Kindheit und erfüllten Jugend zuschreiben, aber ich habe mich neben Verbrechen und Mord immer schon auch dafür interessiert, wie man den Willen eines Menschen bricht.

Ich halte dies auch für keine Kleinigkeit.  

Die Recherchen zu „Der Preis“ haben bewiesen, wie Recht ich damit hatte. Denn nur die Fachliteratur, durch die ich mich bei den Recherchen für „Der Preis“ zu wühlen hatte, umfasst ungefähr neunzig Bände.
Und das sind bloß die einschlägigen Titel, die ich problemlos in Bibliotheken, beim Buchhandel oder in Antiquariaten auftreiben konnte. Hinzu kommt eine Unzahl von Artikeln und Texten, die ich im Internet fand. 

Folter – Psychofolter  zumal – ist ein Thema, das nicht aus der Mode kommt.

Es ist auch komplexer und schockierender, als man es in Splatterfilmen oder den einschlägigen TV-Krimis zu sehen bekommt.

Wenn seinerzeit mein Kollege Thomas Harris vorschlug auf seine Buchcover eine Inhaltswarnung zu drucken, fand ich das nicht nur als Werbegag berechtigt. Hannibal the Cannibal, ist eine Figur angesichts derer es einem nun wirklich graut.

Was von einem professionellem Standpunkt aus betrachtet allerdings nur bedeutet, das Mister Thomas Harris in seinem „Silence of the Lambs“ so einiges richtig gemacht hatte.  Dass es keine Inhaltswarnung auf den Covern von „Schweigen der Lämmer“ oder „Roter Drache“ gab, hat dem Siegeszug von Hannibal dem Kannibalen in der Popkultur trotzdem keinen Abbruch getan.

Ich habe ernsthaft darüber nachgedacht, ob ich „Der Preis“ wirklich so veröffentlichen sollte, wie ich ihn geschrieben hatte. Am Argument des Gutachters war ja etwas dran. Andererseits gehört aber auch eine ganze Menge an Entschlossenheit und vor allem Logistik dazu, die Foltersequenz aus „Der Preis“ in die Realität umzusetzen.

Auch wenn niemals Mangel an Fanatikern oder Irren herrscht, bezweifelte ich, dass die sich ausgerechnet mein Setting aus „Der Preis“ zum Vorbild nehmen würden, um ihre kranken Fantasien auszuleben.

Einen Warnhinweis auf dem Cover von „Der Preis“ hätte auch zu nichts geführt – der Titel wird im Internet verkauft, das notorisch unkontrollierbar in Beziehung auf jede Art von – selbst wohlmeinender - Zensur ist.

Thomas Harris wirklich genialer Schachzug bei seiner Hannibal Lecter Serie, bestand darin Dr. Lecter, trotz dessen Vorliebe für eine ganz besondere Art von Innereien, auf eine perverse Art eben auch menschlich zu gestalten.

Eine Figur im Krimigenre menschlich zu zeichnen, bedeutet in gewissem Maß sie immer auch als Opfer darzustellen. Anteilnahme mit den Figuren ist es, was den Leser bei der Stange hält. Sich in seinem Text um diese Anteilnahme zu bemühen, stellt eine der wenigen feststehenden Regeln dar, die im Handwerk des Krimiautors existieren.  

Die Täter in „Der Preis“ bleiben  - mit einer entscheidenden Ausnahme – jedoch gesichtslos. Habe ich daher also die wichtigste Regel des Krimiautorenhandwerks gebrochen? Ich glaube nicht. Denn um Täter ging es mir in dem Buch nicht.

Es ging mir um Opfer. Darum ihre Gefühle, ihr Verhalten, ihre Ängste und Überlebensstrategien auszuloten.

Im härteren Thrillergenre spielen die Opfer in letzter Zeit kaum noch eine Rolle. Man betrachtet sie als notwendiges Übel und sorgt nach ihrem Auftritt als möglichst schrecklich zugerichtete Leiche recht schnell dafür sie unter den Handlungstisch zu kehren.

Trotz der Konzentration auf die Opfer würde ich selbst „Der Preis“  stilistisch und plotmäßig eindeutig als harten Thriller charakterisieren.

Um mal zusammenzufassen: Herr Gray verfasste einen Thriller, in dem die Täter gesichtslos bleiben, weder ein Mord vorkommt, noch reichlich Blut fließt, und der sich dann auch noch vor allem auf die Psychologie des Opfers konzentriert?

Genau so.

Hier ein Zitat aus einer weiteren Mail, die ich zu „Der Preis“ erhielt:  

Kein Blut? Keine Leichen? Trotzdem nennst Du es „Thriller“? Das Teil kauft keiner, David. Nicht mal als Ebook für 2,99. Schade um die Arbeit.

Diese Mail kam von einem Kollegen, dessen Rat ich sonst sehr schätze.

Kann ja sein, das er recht hat.

Aber ich will hier noch auf eine andere feststehende Regel des Schreibens verweisen:
Wer zu lange in festen Strukturen verharrt, geht früher oder später unter.

Und das gilt für alle Belletristikgenres.

Das gilt sogar fürs reale Leben.   





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