Sonntag, 4. März 2012

“The single Story “ – Rockstar oder Ploppstar?


Der Ebook-Markt wird täglich schneller, größer und lukrativer.   

Sogar die Mahner, Trolle, Brüller und Unkenrufer haben alle Hände voll zu tun, mit der Entwicklung im Markt mithalten zu können. 

Einige unter ihnen sind von der Geschwindigkeit der Entfaltung des Ebook-Marktes so sehr geschockt, dass sie offenbar kaum noch mitzuhalten vermögen, was durchaus etwas heißen will. 

Ich rufe ausnahmsweise zur Entschleunigung auf. 




Chimamanda Adichie – ein Name, den in Deutschland nicht gar so vielen Lesern ein Begriff sein wird, erst recht, falls die sich nicht zufällig für echte Literatur abseits des Mainstreams interessieren. 
Miss Adichie verpasst zu haben, ist gleich in mehreren Beziehungen bedauerlich. Doch da es nie zu spät für gute Bücher ist – kann man / frau die Bekanntschaft mit Chimamanda ja immer noch nachholen.

Ich will hier auch gar nicht in weitere Lobeshymnen auf die Romane der Frau ausbrechen, sondern auf einen Vortrag hinweisen, den sie vor einiger Zeit hielt. Chimamanda nannte ihn „The danger of the single story“ –  frei ins Deutsche übersetzt bedeutet dies „Die Gefahren einer einseitigen Geschichte“.
Chimamanda schildert darin wie sie, als nigerianisches Mädchen, mit den Geschichten und Traditionen der früheren Kolonialherren aufwuchs. 

Mit Geschichten, Erzählungen und Romanen also, in denen Schnee eine große Rolle spielte und etwas namens Ginger-Beer und Osterhasen und Weihnachtsmänner und grüne Tannenwälder. Geschichten, die mit Chimamandes eigentlicher Lebensumwelt in Nigeria nicht das Geringste zu tun hatten. 

Sie erzählt in ihrem Vortrag davon, welch steiniger Weg es für sie darstellte, sich aus dem Schatten solcher Geschichten von Ginger-Beer, verregneten grünen Hügeln und verschneiten Tannenwäldern zu lösen und ihre eigentliche Umwelt eines farbenfrohen ständig von Bürgerkriegen und Putschversuchen bedrängten afrikanischen Landes mit afrikanischen Traditionen und Problemen für sich als Sujet zu entdecken. 



Chimamanda Adichie: The danger of a single story



Man darf sich fragen, was Miss Adichies Weg zur ihrer persönlichen Stimme in der Literatur mit dem deutschen Ebook-Markt zu tun hat. 
Die Antwort besteht paradoxerweise in einer Frage. Nämlich der, ob man als Ebook-Autor im deutschen Markt Rockstar oder besser Ploppstar sein will.

Es sind ja im Zusammenhang mit der Ebook Revolution bis zum Überdruß irgendwelche Parallelen zu bestimmten Entwicklungen innerhalb der Musikindustrie gezogen worden. Ich habe dies bisher eher zu vermeiden versucht.

Doch hier will ich meine Regel brechen und folgende Frage aufwerfen: Was haben Rockstars wie U2, Madonna, Sting oder - wegen mir -  auch die deutschen Ärzte (angeblich ja die schlechteste Band der Welt) richtig gemacht, dass sie ihr Publikum nicht nur für ein paar Wochen und Monate, sondern über mehrere Jahrzehnte zu fesseln vermochten?   

Und gibt es irgendetwas das Autoren von Rockstars zu lernen haben?

Keiner, der sich je an größeren Texten versuchte, wird bestreiten wollen, dass es ein hartes Geschäft ist. 

Trotzdem schaffen es einige, sich mit ihren Texten beim Publikum durchzusetzen, während andere – die womöglich genauso hart an ihren Arbeiten feilten -  es nie zum Gewinn des berühmt-berüchtigten Blumentopfes bringen.  

Man redet sich dann gerne auf die böse, einseitig auf Blockbuster fixierte Verlagsindustrie oder die vermeintlich verblödeten Leser hinaus, die angeblich nicht genug Geschmack und Weitsicht hätten, um wahre Größe zu erkennen.    

Allerdings könnte es sein, dass Publikumsbeschimpfung nicht den richtigen Weg dazu darstellt, sich einen Namen im Buch-Geschäft zu machen.  

 Ich hab jedenfalls bisher noch nirgendwo gelesen, dass sich Bertholt Brecht, Patricia Highsmith, Graham Greene, Joseph Conrad, Terry Pratchett, Philip Pullman  oder Mario Puzo an Publikumsbeschimpfungen geübt hätten.

Doch etwas haben all diese Brothers and Sisters in Arts mit den wirklich lange populären Rockstars gemeinsam: sie haben a) nie aufgegeben und b) noch wichtiger – nie das Risiko gescheut ab und zu auch kontroverse Werke in die Welt zu werfen.

Wie Chimamanda Adichie hatten sie verstanden, dass eine eigene unverwechselbare Stimme im großen Konzert der Meinungen und Geschichten zu entwickeln zwar Mut brauchte, aber auch den besten Weg zum langfristigen Erfolg darstellten.

Nichts zu sagen gegen eine coole Vampirstory im Stil von Charlaine Harris oder einen dreiunddreißigtausendsten  Kopierversuch von „Harry Potter“ oder „Da Vinci Code“. In der Literatur ist grundsätzlich alles erlaubt, was ankommt und gekauft wird.  

Dennoch frage ich mich, ob das wirklich ausreicht, wenn man auch in vier oder fünf Jahren noch seine Ebooks unter die Leute bringen will. 

Ich fürchte, dazu sollte man eher zum Rockstar als zum Ploppstar tendieren. Oder – ein wenig Zeit damit verbringen nach seiner ganz persönlichen Stimme, seinem ganz persönlichen Sujet zu suchen, wie Miss Adichie dies tat.  

Es gibt zwar genug One-Hit-Wonder, die man auch nach Jahren ganz gerne zufällig mal wieder hört.   

Nur liegt wohl der wirkliche Witz an der alten Geschichte mit dem Blumentopf, den nicht jeder gewinnt, ja eigentlich darin, dass ihn nur derjenige wirklich sein eigenen nennen darf, der ihn mehr als einmal mit nach Hause nehmen durfte.

Ich frage mich daher, wo bleibt das Ebook mit dem vegetarischen ökofaschistischen Zombie und wo findet sich der neue Krimiheld, der es an Coolness, Amoral und Chuzpe locker selbst mit einem Tom Ripley aufzunehmen vermag? In wessen Kopf  entsteht gerade jene großartige Liebesschnulze, bei der selbst mir der Schamschweiß auf der Stirn zu perlen beginnt? Und wo verbirgt sich die Erzählung gegen welche sich selbst Conrads „Heart of Darkness“ wie eine bloße Fingerübung ausnimmt? 
Doch statt neuen, interessanten und ungewöhnlichen Stories und Romanen stoße ich in diversen Foren und auf den einschlägigen Blogs immer wieder nur auf dieselben Diskussionen darüber, wie viel ein Ebook nun wirklich zu kosten hat. 

Oder weshalb es unter den Indie-Ebooks denn nun jemals irgendwelche literarische Perlen zu entdecken geben wird. Haben sich diese Themen vorübergehend einmal erschöpft, dauert es nie lange, bis die alte Frage danach wieder aufgewärmt wird, ob irgendein Verlag ein Buch noch unter Vertrag nehmen würde, nachdem es bereits als Ebook veröffentlicht worden ist. 

Aber spielt all das denn wirklich eine derartig große Rolle?

Denn der Markt erwartet Euch. Und noch nie zuvor war es so einfach gute Geschichten unter die Leute zu bringen. Weshalb tut ihr es dann nicht?

Geht ein Risiko ein. Stoßt die Leser auch mal vor den Kopf, statt immer nur irgendwelchen vermeintlich gerade angesagten Trends hinter her zu hecheln. 

Kein Mensch kann einem Autor doch jetzt noch vorschreiben, welche Art von Geschichten er erzählt und in welcher Form er dies tut.

Da draußen warten die Leser auf neue Geschichten. 

Also wozu kostbare Zeit damit zu verschwenden in diversen Blogs und Chats und Facebook-Gruppen darüber zu diskutieren, ob eine Schwemme von 99 Cent Ebooks in den Kindle-Charts nun den Markt für seriöse Autoren zerstört, oder ob irgendwer in den Publikumsverlagen Bücher noch unter Vertrag nehmen würde, nachdem sie schon mal bei Amazon.de, Thalia oder im iTunes Store ihre Leser fanden?
Hört man die guten alten One-Hit-Wonder zufällig mal wieder im Radio, so zaubern die einem ja vielleicht ein kleines sentimentales Lächeln ins Gesicht. 

Bringen wirkliche Rockstars einen neuen Song heraus, mit dem sie die Erwartungen ihrer Fans bewusst gegen den Strich bürsten – dann zerreißen sich jede Menge Leute öffentlich das Maul darüber. Was – schon rein marketingmäßig - bestimmt nicht das Schlechteste sein muss, was einem Künstler zustoßen kann.   

Also - nur Mut! 

Fangt an! 

Schreibt was. 

Schreibt etwas NEUES.   

Schreibt etwas, worüber es sich zu diskutieren lohnt.

Herr Gray dankt herzlich für die Aufmerksamkeit.






Donnerstag, 1. März 2012

Der Bling –Bling- Faktor im „Syndikat“ – kein Gangsta Rap.

Das „Syndikat“, die Vereinigung der deutschsprachigen Krimiautoren, sagt „Ja zum Urheberrecht“. Und damit’s auch der Letzte von uns ja bemerkt, bekräftigt man es mit Facebook-Postings und einem runden roten Button, den sich jeder, der mag, an seine virtuelle Brust heften darf.   
Ich bin Krimiautor.
Ich muss von meiner Schreibe leben und kann das auch.
Ich habe etwas für Urheberecht übrig. Jenes kleine © ermöglicht mir Brötchen auf den Tisch zu bringen und die Miete zu zahlen.
Ich sage trotzdem: Nein zum „Ja zum Urheberrecht“.
Das hat Gründe.
Doch bevor man über irgendetwas polemisiert, sollte man sich anschauen, worüber man genau herzieht. Also schauen wir doch mal, was das „Syndikat“ da zu den Motivationen seiner Aktion so anführt: 
„Das SYNDIKAT, die Autorengruppe deutschsprachiger Kriminalliteratur, spricht sich nachdrücklich für den weltweiten Schutz geistigen Eigentums aus. Dies gilt insbesondere für das Medium Internet, in dem dieser Schutz immer häufiger missachtet wird. Das SYNDIKAT protestiert insbesondere gegen Bestrebungen von Politikern, wie etwa aus den Reihen der Piraten und dem Bündnis 90/Die Grünen, aber auch anderer Parteien, die das geltende Urheberrecht schwächen wollen. Die technischen Möglichkeiten des Internets erfordern keine Reformation des Urheberrechts, sondern eine faire Anpassung von Nutzungs- und Verwertungslizenzen.
Das SYNDIKAT wird sich für Aufklärung einsetzen, um bei Nutzern und Lesenden den Respekt, das Verständnis und die Achtung gegenüber den Leistungen der urhebenden SchriftstellerInnen zu stärken.“
Klingt doch gut, oder?
Da wird davon gesprochen die Rechte von Autoren zu stärken und von den Lesern, die zweifellos Verständnis dafür aufbringen, dass auch der Schriftsteller Geld auf’s Konto zu bekommen hat, weil nur dann der Mann/die Frau in der Lage ist neue Texte zu verfassen, die wiederum die Leser erfreuen und unterhalten.
Ich bin ganz und gar dafür die Rechte von Autoren zu stärken. Und ich bin gewöhnlich auch von jeder Aktion begeistert, die sich dafür stark macht meine Rechte als Autor zu untermauern.
Aber ich bin auch für klare Ansagen und eindeutige Aussagen. Erst recht in einem Manifest oder Aufruf, wie dem mit welchem sich das „Syndikat“ vermeintlich für das Urheberrecht stark macht.
Nur vermisse ich gerade hier klare Aus- und Ansagen. Alles, was ich aus der Veröffentlichung des „Syndikats“ herauslese ist eine Ansammlung von unbegründeten Behauptungen.  Da wird nur dunkel munkelnd von irgendwelchen “Bestrebungen von Politikern, wie etwa aus den Reihen der Piraten und dem Bündnis 90/Die Grünen, aber auch anderer Parteien, die das geltende Urheberrecht schwächen wollen” parliert.   
Doch wer hat da was und wann und wo gesagt oder geschrieben?  Was sind jene offenbar dämonischen „Bestrebungen“ exakt? Wohin zielen sie und was wären deren Auswirkungen auf die Arbeit der Autoren?
Leider ist dazu keine klare Auskunft in dem Text zu finden.  Doch darauf käme es an, will man mich als Autor davon überzeugen, mir in aller Öffentlichkeit jenen roten Button ans Facebook – Avatar zu heften oder irgendwo in meinem Blog sichtbar zu machen.
Das Urheberrecht ist ein notwendiges Konzept, das  in Zeiten von ständiger Verfügbarkeit von Informationen, Texten und Daten einer ausgewogenen Anpassung bedarf, ist unbestritten.   Und zwar einer Anpassung, die allen Seiten gerecht wird, nicht nur den großen Verwertern, wie den Verlagen oder Vertriebsplattformen à la Amazon, Apple oder Thalia, sondern auch mir, dem Autoren. Demjenigen, der all diesen Leuten das liefert, wovon sie ihre Umsätze bestreiten: die Inhalte nämlich (neuhochdeutsch auch ganz gern mal „Content“ genannt).
Ich vertreibe den überwiegenden Teil meiner Texte in Form von Ebooks und bin erfolgreich damit. Doch das „Syndikat“, jene Damen und Herren, die unter anderem auch mich zu ihrem „Ja zum Urheberrecht“ aufriefen, würden mich in ihre heiligen Hallen nicht einlassen, da ich mich bewusst dazu entschlossen habe, den Großteil meiner Krimis, Thriller und Shortstories  selbst zu vermarkten, statt dies irgendeinem Verlag zu überlassen. 



Also: Wo bitte schön, liebes „Syndikat“, bleiben meine Rechte bei Eurer Aktion?
Wo bitte schön, liebes „Syndikat“,  setzt ihr Euch dafür ein, dass sich zum Beispiel die VG-Wort dreht und die Form der medialen Vermarktung, welche ich wählte, anerkennt?
Denn das tut sie nicht.
Bislang gilt dort:
Selbstpublizierte Ebooks?
Sorry - sind keine richtigen Bücher.
Geht uns nichts an.
Doch genau da – bei der VG-Wort, jener Institution, die in unserem Land dafür sorgt, dass meine Rechte als Autor gewahrt bleiben, indem sie mir anteilig Geld aus Zweit- und Drittverwertungen ausschüttet, sehe ich zu aller erst einen Bedarf Druck zu machen. Nicht nur in meinem Namen, sondern auch in dem der vielen anderen selbstpublizierenden Autoren und Autorinnen.
Oder habe ich Eure Aktion dazu womöglich in den unendlichen Weiten des Internets übersehen, liebes „Syndikat“?
Ist die womöglich gerade im Entstehen und wird man demnächst vielleicht mit einem blauen Button dafür werben, dass Ebooks auch von Autoren verfasst werden und daher genauso „schutzwürdig“ sind wie gedruckte Texte oder solche, die auf Blogs veröffentlicht wurden? Seltsamerweise werden diese von der VG-Wort ja durchaus als schutzwürdig anerkannt.
Teilt es mir mit, liebe Kollegen vom „Syndikat“. Es ist ganz leicht mich zu finden:  Eure Sprecherin Frau Angela Eßer ist mit mir auf Facebook befreundet.
Ich bin gespannt auf Eure Reaktion.
Doch solange ich bei Euch nur als „Schmuddelkind“ gelte und mit irgendeinem lauwarm aufgebrühten Gebräu aus unbegründeten Behauptungen und Polemik zur Teilnahme an Eurer Aktion verlockt werden soll, ist mir mein guter Name weiterhin zu schade ihn öffentlich damit zu verbinden.
Falls ihr jedoch jemals eine Aktion zur Anerkennung von Ebooks bei der VG-Wort startet,  werde ich mich beteiligen, versprochen.  Dann hefte ich mir sehr gerne in aller Öffentlichkeit jenen neuen Button an meine virtuelle Stellvertreteridentität an. 
Ich fürchte nur, statt irgendeiner Neuigkeit über die Entwicklung blauer Button, werde ich nach Veröffentlichung dieses Gastbeitrags eine ganze Mengte Facebookfreunde weniger haben, aber dafür einige schlechte Rezensionen unter meinen Ebooks bei Amazon.de mehr auftauchen.
Sei’s drum.